Donnerstag, 7. Mai 2015

52/52 Challenge: Kleinigkeiten

Hier ist die Nr. 24. :D
Fandom: Haikyuu.
Viel Spaß beim Lesen. :)

Wort: Zwerg
Wörter: 1592


Kleinigkeiten

Hinatas Sicht
Als wir das erste Mal aufeinandertrafen, nannte er mich Zwerg.
Schon klar, er kannte meinen Namen nicht und ich bin eben klein, da ist Zwerg eine einfache Beschreibung, wobei ich auch oft Karottenkopf zu hören bekam. Trotzdem – es ärgerte mich ungemein. Es hat mich auch zuvor schon immer geärgert, Zwerg genannt zu werden. Das war doch Mobbing! Niemand sollte wegen seines Äußeren ausgegrenzt werden!
Aus irgendeinem Grund ärgerte es mich bei ihm aber noch um einiges mehr. Vielleicht lag es an seiner selbstgerechten, herablassenden Art, die sogar seine Teamkameraden dazu veranlasste, ihn zu verachten. Was dachte er sich? Talent war doch ein Geschenk und kein Freifahrtschein, um sich als Arschloch aufzuführen!
Ich könnte mich den ganzen Tag über diesen Kerl aufregen – Kageyama, König des Felds. Er war beeindruckend und so, keine Frage, aber seine Art!
Noch einmal klatschte ich mir Wasser ins Gesicht. Ich hob den Kopf und blickte mein Spiegelbild an. Die Wassertropfen rannen meine Wangen hinab, sie sahen ein bisschen aus wie Tränen. Aber ich weinte nicht, nicht mehr. Das hatte ich nur ganz zu Anfang, dann hatte ich mich über den König des Felds aufgeregt. Na ja, er war ja auch der Grund, warum wir verloren hatten. Okay, bei jedem anderen Gegner hätten wir wahrscheinlich auch verloren...
Ich seufzte, trocknete mir das Gesicht mit einem Papiertuch und trottete zur Tür, die von den Toiletten wieder auf den Flur führte. Ausgeträumt mein Traum vom Turnier. Immerhin hatte sich ein Teil erfüllt. Immerhin hatte ich auf diesem riesigen Feld spielen dürfen. Das sollte ich in Erinnerung behalten und nicht diesen großkotzigen Kerl.
Den Blick auf den Boden gerichtet verließ ich die Toiletten und stieß mit jemandem zusammen.
„Kannst du nicht aufpassen, wo du hinsiehst, Zwerg?“, fuhr er mich an und ich schaute hoch und da war er, direkt vor mir, der König des Felds. Noch direkter vor mir, als auf dem Spielfeld. Kein Netz, das uns trennte.
Wie Feuer entbrannte die Wut auf neuem in mir und meine erste Intention war, ihm eine runterzuhauen. Stattdessen ballten sich bloß meine Hände zu Fäusten und ich biss mir hart auf die zitternde Unterlippe.
„Du wirst doch jetzt nicht etwa anfangen zu heulen, Zwerg?“ Er zog die Augenbrauen hoch und blickte zu mir herunter, als wäre ich ein dummes Kind, dem man den Lolli weggenommen hatte.
Ich sah schon meine Faust auf sein Gesicht zuschnellen, bohrte aber bloß meine Fingernägel in meine Handfläche. Der würde mich nicht die Beherrschung verlieren lassen, diesen Triumph würde ich ihm nicht geben!
„Hör auf, auf mich herabzusehen, nur weil ich kleiner bin. Nur weil ich nicht so ein großes Talent habe, wie du!“, stieß ich hervor. „Ich werde kämpfen und es dir beweisen!“
Wenig beeindruckt sah er mich mit nur noch einer hochgezogenen Augenbraue an und zuckte mit den Schultern. „Wie du meinst, Zwerg.“ Er schob sich an mir vorbei durch die Tür und ich war wirklich, wirklich wütend, dass er dieses Gespräch einfach so beendete!
Ich riss die Tür zu den Toiletten auf und rief: „Ich werde es dir beweisen, du wirst schon sehen!“
Er stand mit dem Rücken zu mir am Waschbecken und meinte bloß: „Schön für dich.“
„Ja, denn für dich wird es ganz und gar nicht schön sein!" Das war alles, was ich sagte. Ich drehte mich um und ging schnellen Schrittes davon.
Damals wusste ich noch nicht, was noch dahinter steckte, dass er mich Zwerg nannte.
Kein Jahr später ging ich, endlich auf der High School, bester Dinge zu meiner ersten Volleyball-Trainingsstunde in einem Jungenteam. Ich würde endlich richtig Volleyball spielen können! Seit dem einem Mal, wo ich bei dem Turnier gespielt habe, fieberte ich diesem Tag noch mehr entgegen, als davor schon. Endlich war es soweit! Und dann würde ich dem König des Feldes beim nächsten Mal, wenn wir uns gegenüberstanden, zeigen, welche Größe in mir steckte, dass ich alles andere als ein Zwerg war!
Wie erstarrt blieb ich in der Tür stehen, als ich eben jenen Rivalen vor mir in der Sporthalle stehen sah. Das... Nein. Das... Nein! Er sah mich nicht weniger ungläubig und entsetzt an.
Vielleicht hätte ich ihm dieses Mal wirklich eine reingehauen. Ich wollte es tun, hätte ich auch fast. Aber dann sah ich die anderen Mitglieder des Teams und meine Wut flaute etwas ab. Also, ich war schon immer noch sehr wütend auf ihn, schob diese Wut aber vorerst beiseite. Ich freute mich viel lieber über die große Halle, als mich über ihn zu ärgern.
„Was willst du denn hier, Zwerg?“ Er hatte diese Selbstbeherrschung offenbar nicht. Aber ich schaffte es tatsächlich irgendwie mich an diesem ersten Tag nicht (ernsthaft) mit ihm zu streiten. Am zweiten Tag sah das leider ganz anders aus und auch danach wurde es nicht besser.
Es regte mich einfach auf, dass er nicht von seinem hohen Ross runterkommen wollte. Nur weil ich klein war! Nur weil ich noch kaum Erfahrungen hatte! Nur weil ich noch viel lernen musste! Ja, es nervte mich selbst, aber er hatte kein Recht mich deshalb pausenlos anzuschreien und zu beleidigen.
„Mein Name ist Hinata!“, schrie ich irgendwann nur noch zurück, weil er an jeden Satz, den er zu mir sagte ''Zwerg'' dranhängen musste.
Schließlich flogen wir sogar aus der Trainingsstunde, weil er nicht aufhörte und mich total irre machte, sodass auch ich mich nicht mehr zusammenreißen konnte. Was wollte der Kerl eigentlich, verdammt nochmal!?
„Das ist alles deine Schuld, Zwerg“, beschwerte er sich, als wir in unseren Trainingssachen vor verschlossener Tür standen. Sie hatten uns eiskalt rausgeworfen. Na ja, bei Kageyama konnte ich das verstehen. Aber ich hatte doch nichts getan! Sollte ich mir seine Demütigungen etwa gefallen lassen, oder was?
„Meine Schuld!? Du nennst mich doch die ganze Zeit ''Zwerg''“, gab ich aufgebracht zurück. Also ehrlich!
„Ach, sei leise, Zwerg“, meinte er und wandte sich von mir ab.
„Hinata! Mein Name ist Hinata!“ Konnte er sich das nicht merken, oder was? Interessierten ihn seine Mitmenschen so wenig?
„Ich weiß, wie du heißt, Zwerg!“, stieß er hervor und hatte sich dabei wieder zu mir umgedreht. Er fasste sich an den Kopf, seufzte und lehnte sich gegen die Außenwand der Turnhalle. „Verdammt.“
„So werden wir nie spielen können“, meinte ich betrübt und lehnte mich ebenfalls an die Wand, starrte auf meine Füße und dann auf meine Hände.
„Tut mir leid, Zwerg“, murmelte Kageyama. Hatte-Hatte er sich gerade ernsthaft entschuldigt und das ohne jeglichen Sarkasmus oder Wut in der Stimme?
Erstaunt sah ich zu ihm rüber. Er sah ebenfalls aus, als wäre er betrübt. Auch weil er nicht spielen konnte? Aber er könnte es ja ändern. Wenn er mich einfach nicht mehr Zwerg nennen würde, könnte er es ändern.
Ich wollte ihm das gerade sagen, da erwiderte er meinen Blick. Ich hörte auf zu atmen. Sein Blick war so intensiv, so stechend und seine Augen so tief, so klar. Das war direkt. Das war viel zu direkt. Mein Gesicht wurde ganz warm.
„L-Lass das“, brachte ich hervor und schaffte es, den Blick zu senken.
„Entschuldige, Zwerg.“
„Und das sollst du auch lassen!“
„Was, Zwerg?“
„Na, mich Zwerg zu nennen! Und entschuldigen brauchst du dich auch nicht, weil du-“ Ich hatte während meiner Worte aufgeblickt und was ich jetzt sah, verschlug mir erneut den Atem. Er... Er lächelte.
Ich hatte ihn noch nie lächeln sehen. Ich hatte gedacht, das könnte er gar nicht. Doch hier stand er vor mir und lächelte, lächelte mich an und es war nicht einmal spöttisch oder sonst irgendwie abwertend. Es... war ehrlich.
W-W-W-Was war denn jetzt los? Mein Gesicht wurde schon wieder ganz warm. Ich wollte wegschauen, aber ich konnte nicht.
„Soll ich dir die Wahrheit sagen? Der Grund, warum ich dich Zwerg nenne?“, fragte er. Ich wusste nicht, was ich wollte oder was ich sagen sollte. Schließlich nickte ich einfach. Er hätte es mir wohl eh so oder so erzählt.
„Weil ich es kann“, grinste er neckend und unsere Nasenspitzen berührten sich beinahe. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er sich zu mir rübergebeugt hatte. Ich bemerkte auch diesen gewissen Glanz in seinen Augen erst jetzt.
Und als er seine Lippen auf meine legte, bemerkte ich noch etwas ganz anderes. Dass er mich Zwerg nannte, hasste ich nicht, weil ich ihn nicht leiden konnte, sondern weil das Wort für mich abwertend klang und ich mich ihm ebenbürtig fühlen wollte. Ich wollte ein würdiger Gegner für ihn sein, das hatte ich gewollt und jetzt, wo wir in einem Team waren, wollte ich ein würdiger Mitspieler für ihn sein.
Er schob seine Zunge zwischen meine Lippen und ich ließ ihn gewähren, fasste sogar nach seinen Armen und hielt mich daran fest, kostete diesen Moment der Erkenntnis aus, ohne wirklich zu realisieren, was wir eigentlich taten.
„Hey, Jungs. Lebt ihr noch? Es war auf einmal so still- Woah! Oh, entschuldigte, ich wollte nicht... stören.“ Sawamura stand in der Tür, die vorher verschlossen gewesen war und starrte uns an. Kageyama war einen Schritt zur Seite getreten. Ich schaute zu ihm rüber, etwas hilfesuchend, etwas neugierig. Er sah geradeaus, schaute Sawamura aber nicht direkt an. Auf seinen Wangen lag ein leichter Rotschimmer.
Ich biss mir auf die Unterlippe. Mein Gesicht war ganz heiß.
„Ähm, wollt ihr wieder reinkommen?“ Sofort nickten Kageyama und ich hastig und gingen wieder zu den anderen in die Halle und trainierten und stritten uns ein klein bisschen weniger. Zwerg nannte er mich trotzdem noch und den Grund hatte er mir auch nicht genannt. Nur geküsst hatte er mich. Geküsst...
Kleinigkeit.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen