Montag, 1. Juni 2015

52/52 Challenge: Schattenkrieg - Die graue Maus

Nr. 41.
1. Der General
2. Löwe

Wort: Maus
Wörter: 626

Schattenkrieg - Die graue Maus

Sie war nie besonders aufgefallen, niemandem.
Vielleicht lag es daran, dass sie am liebsten grau und auch hin und wieder schwarz trug. Auch war ihr Haar dunkelblond, wie das von vielen anderen und ihre Augen waren grau, ihre Haut hell, ihr Gesicht nichtssagend. Sie war niemand, an dem man sich erinnerte. Man bemerkte sie zwar schon, aber man behielt sie nicht im Gedächtnis. Dazu gab es keinen Anhaltspunkt und keinen Grund.
Sie war niemand.
Ihre Hand auf den kleinen Spiegel der Schultoilette legend lächelte sie. Doch wie alles, was sie tat, wirkte es nicht sonderlich ausdrucksstark. Ihr Lächeln schwand und ihre Lippen teilten sich. Sie drückte ihre Hand fester auf das Glas, in der Hoffnung, dass... dass... Keine Ahnung, worauf sie hoffte. Das tat sie immer, ihre Hand auf die Scheibe pressen, wenn sie sich selbst im Spiegel betrachtete.
Vielleicht dachte sie, dass sie dadurch ein Gefühl für diese Person in dem Spiegel bekommen könnte. Es fühlte sich nicht an, als wäre sie das. Überhaupt nichts fühlte sich an, als wäre sie das.
Weil sie niemand war. Niemand...
Ihr traten Tränen in die Augen und sie verzog das Gesicht. Selbst das wirkte stumpf, wie einstudiert. Sie wollte die Hand zur Faust ballen und auf den Spiegel einschlagen, bis er zerbrach. Aber auch das würde nicht wütend genug wirken. Nichts an ihr würde je wie irgendetwas wirken.
Betrübt senkte sie den Kopf und nahm die Hand von dem kalten Glas des Spiegels. Auf dem Gang hatte sie den Blick noch immer gesenkt und prompt lief sie in jemanden hinein. Sie wollte sich schon entschuldigen, doch das brachte sie gar nicht fertig, da der Jemand sie an den Schultern hielt und, als sie den Blick hob, ihr direkt in die Augen blickte.
Es war ein Junge, der etwas jünger als sie war und toll aussah. Er sah nicht bloß toll aus, von ihm schien eine Anziehungskraft auszugehen und er löste ein warmes Gefühl in ihrer Brust aus. Sie würde ihm blind vertrauen, wäre an alledem nicht irgendetwas seltsam.
Tief durchatmend überwand sie ihre Verlegenheit und drückte gegen seine Brust, woraufhin er sie sofort losließ. Jetzt bemerkte sie auch den Mann, der hinter ihm stand und etwa Ende 30 sein musste. Was Beobachtung und Aufmerksamkeit anging, stand ihr niemand in etwas nach. Während sie nicht auffiel, fiel ihr alles auf. Manchmal dachte sie, das wäre ein Fluch.
„Hallo. Ich wurde vom Militär geschickt, um dich für eine spezielle Sondereinheit zu rekrutieren. Sie beobachten dich schon seit einer Weile und es hat sich herausgestellt, dass du die perfekte Kandidatin bist. Mein Codename ist ''General'', deiner ''Maus''. Der Junge hier wird ab sofort einer deiner Partner sein, sein Codename ist ''Löwe''. Hier ist meine Marke. Wir werden jetzt zusammen in ein Restaurant fahren, wo ich und Löwe dir alles weitere erkläre. Auf dem Weg kannst du deine Eltern anrufen.“
Es klang auswendig gelernt. Das war das Erste, was sie aufnahm, erst danach überfluteten sie alle weiteren Informationen, die in diesen heruntergeleierten Worten steckten. Sie blinzelte mehrmals. Passierte das gerade wirklich? Standen gerade tatsächlich dieser Junge und dieser Mann, Löwe und General vor ihr und blickten sie so direkt an, hatten sie so direkt angesprochen und wollten sie zu... Ja, was? Einer Soldatin ausbilden?
Ihr Herz begann zu rasen, doch sie straffte die Schultern und nickte. Ein entschiedenes, entschlossenes Nicken. Auch wenn sie nicht wusste, was da auf sie zu kam. Es war alle Male besser, als das, was sie jetzt ihr Leben nannte. Endlich war sie bemerkt worden.
Sie hatte ja keine Ahnung, dass genau ihre Unauffälligkeit das war, was sie so besonders und vor allem so besonders geeignet machte. Der General presste die Lippen aufeinander, als sie sich auf den Weg machten. Diese zwei Kinder hatten absolut keine Ahnung.

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