Mittwoch, 3. Juni 2015

52/52 Challenge: Schattenkrieg - Phönix

Nr. 43. :D
1. Der General
2. Löwe
3. Die graue Maus

Wort: Phönix
Wörter: 1834

Schattenkrieg - Phönix

Er war der Beeindruckenste von ihnen allen. Natürlich waren sie alle beeindruckend. Deshalb waren sie ausgewählt worden. Deshalb gehörten sie der speziellen Sondereinheit an. Deshalb wurden sie ausgebildet, um gegen Schatten und die Krankheit zu kämpfen. Sie waren die Einzigen, die es konnten. Die Einzigen, die dazu befähigt waren. Das wurde ihnen während ihres Trainings jeden Tag mehrmals gesagt.
Zu Anfang verstand keiner, was dieser kleine, schmächtige Junge bei ihnen sollte. Er schien nichts besonderes zu können. Während alle anderen ihre Fähigkeiten aktivierten, weiter entwickelten und trainierten, machte er immer nur Ausdauertraining. Natürlich wurde jeder unterschiedlich ausgebildet, weil jede Fähigkeit unterschiedlich war. Aber niemand trainierte nur, in dem er die ganze Zeit joggte. Und der kleine, schmächtige Junge tat nichts anderes!
Irgendjemand hätte ihn einfach fragen können, aber er war ziemlich verschlossen und immer für sich. Die Meisten wussten nicht einmal seinen Codenamen und die, die ihn wussten, waren nur noch verwirrter dadurch oder machten sich über ihn lustig.
Phönix? Du wirkst also wiederauferstehen, wenn man dich tötet oder dich super schnell heilen können?“ Sie lachten. Sie machten sich über ihn lustig, konnten sich nicht vorstellen, dass er zu so etwas fähig sein sollte. Es passte nicht zu ihm. Allen anderen sah man ihre Fähigkeiten nämlich auf die ein oder andere Weise an. Sie war bereits ein Teil von ihnen. Der Junge aber war absolut nichtssagend, klein und schmächtig eben und es sprach ja auch keiner mit ihm und er auch mit niemandem, weil weder andere noch er das wollte.
Oder wollte er doch? Manchmal sah es so aus, als würde er mit jemandem sprechen wollen, sich dann aber dagegen entscheiden. Maus beobachtete ihn manchmal. Sie fand ihn interessant und auf gewisse Weise sogar anziehend, nicht auf romantische oder sexuelle Weise, sondern als Person. Er hatte irgendetwas. Etwas, dass die anderen übersahen.
Schließlich kam der Tag, an dem sie in einzelne Teams eingeteilt wurden und alle gemeinsam zu dem Ort geschickt wurden, wo die Schatten zurückgekehrt waren und die Krankheit wieder ausgebrochen war. Es war ein Dorf irgendwo im nirgendwo auf dem Land.
Sie steckten Phönix in das Team, die ihn am meisten verachteten und kein bisschen glaubten, dass er irgendetwas konnte. Eigentlich waren sie natürlich alle ein bisschen eifersüchtig, dass er so eine Sonderbehandlung hatte und keiner seine Fähigkeiten bis jetzt gesehen hatte. Vielleicht hatten sie sogar ein bisschen Angst. Aber solche großkotzigen Leute wie sie würden so etwas niemals auch nur ansatzweise zugeben. Maus wusste es nur, weil sie so gut im Beobachten und Lesen von Menschen war.
Auch sie war in seinem Team und sehr froh darüber. Sie könnten sich näher kennenlernen. Also, falls er sie wahrnahm, könnten sie sich näher kennenlernen. Direkt nachdem sie rekrutiert worden war, hatte sie sich so wunderbar beachtet gefühlt. Endlich war sie jemand besonderes gewesen, jemand wichtiges, jemand bedeutungsvolles. Doch dann hatte sie erkennen müssen, dass es noch fast dreißig weitere besondere Jugendliche gab. Sie war nur eine von Vielen, ging in dem Meer unter. So wie immer.
Aber so wie immer war sie nicht gewillt aufzugeben. Nicht, weil sie stark war, sondern weil sie sich selbst nie würde genug hassen können. Ihr war das Nicht-Beachtet-Werden im Grunde gleichgültig, so wie sie allen gleichgültig war. Es hatte keine Bedeutung, weil nichts, das sie war, eine Bedeutung hatte.
Phönix hatte eine Bedeutung, eine sehr große Bedeutung. Sie spürte das ganz deutlich.
Und sie sollte Recht behalten.
Von sich selbst überzeugt, wie die Macho-Kerle nun mal waren, stürmten sie gleich in das erste Haus, das sie untersuchen, überprüfen und reinigen sollten.
Maus ist gleich aufgefallen, dass die Stadt seltsam verlassen ist und sie weiß zwar, so wie alle anderen, was die Schatten und die Krankheit anrichten, dass sie die Menschen in wandelnde Tote verwandeln und sich in jedem noch so kleinen Schatten verstecken können, aber es ist trotzdem beängstigend und man kann gar nicht vorsichtig genug sein. Außerdem ist Training nie ein Vergleich für die Realität.
Sie wusste also, dass etwas passieren würde, als die Idioten das Haus stürmten. Aber was hätte sie tun können? Sie aufhalten? Mit ihnen reden? Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie bemerkt hatten, dass sie in ihrem Team war. Und Phönix konnte auch nichts ausrichten. Auf ihn würden sie auch nicht hören.
Also blieben sie draußen stehen, während die anderen drei in das Haus hineinliefen und ziemlichen Krach machten. Sie konnte nur mit dem Kopf schütteln. Dachten die etwa, das wäre ein Spiel? Sie seufzte und spürte mit einem Mal den Blick von Phönix auf sich. Es kam so selten vor, dass sie jemand direkt ansah, dass sie etwas zusammenzuckte.
Er lächelte leicht, ein etwas schüchternes Lächeln. Ja, er war schüchtern, das hatte sie auch schon beobachtet. Aber da steckte noch mehr dahinter.
Gehen wir rein?“, fragte er. „Irgendwer muss ja auch die Idioten aufpassen.“
Jetzt musste sie grinsen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil er sie bemerkt hatte. Er hatte sie wirklich bemerkt. „Ja, du hast wohl recht.“
Kaum betraten sie das Haus, passierte es. Jemand schrie, laut und durchdringend und er hörte nicht auf. Er schrie immer weiter. Andere Stimmen waren zu hören, weitere abgehackte Schreie, schnelle Schritte auf der Treppe.
Was ist los?“, fragte Phönix, als einer der anderen drei Jungen stehen bleiben musste, weil sie ihm den Weg versperrten. Nackte Panik stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Wir müssen hier raus!“, stieß er hervor. „Wir müssen ganz schnell hier raus! Da oben... Da oben, da ist... Da ist... der Tod.“ Sein Gesicht war aschkahl und er zitterte unkontrolliert am ganzen Körper. Er sah aus, als hätte er einen Geist gesehen, vermutlich hatte er das auch. Denn im Grunde war es das, was mit den Opfern der Krankheit passierte, sie wurden zu Geistern. Geister, die anderen Menschen das Leben aussaugen konnten und sie somit selbst zu Geistern machten.
Genau deshalb sind wir doch hier. Wir sollen den Tod besiegen, das Haus, dieses ganze Dorf von ihm reinigen, diese Menschen erlösen“, meinte Phönix.
Der andere Junge starrte ihn bloß an. „Ich gehe da nicht wieder rauf!“, sagte er dann entschieden und schob sich an den Zwei vorbei und rannte aus dem Haus.
Schisser“, murmelte Maus ihm hinterher, was ihr ein Grinsen von Phönix einbrachte.
Na, warten wir mal ab, wie es dir gleich ergeht. Ich nenne dich dann auch Schisser, wenn du wegrennst“, meinte er.
Wenn das so ist, mache ich das Gleiche, wenn du wegrennst“, erwiderte sie grinsend.
Ja, eigentlich sind wir doch alle Schisser“, sagte er und es sollte wohl lässig klingen, hörte sich aber viel zu ernst an, als er seinen Blick auf die Treppe richtete.
Du nicht, dachte sie bei sich. Du bist kein Schisser. Er hatte Angst, ja. Seine Hand zitterte, als er mit ihr das Geländer der Treppe umschloss und die Stufen hinaufzusteigen begann. Doch er ließ sich nicht von seiner Angst kontrollieren, im Gegenteil. Er nutzte sie als Antrieb. Seine Angst wurde mit jedem Schritt größer, aber so auch seine Entschlossenheit. Sie wünschte, sie könnte ihn mehr bewundern, als ihre eingeschränkten Gefühle es zuließen.
Oben angekommen lauschten sie einen Moment. Der Schrei dauerte nach wie vor an, ein durchdringender, langgezogener Ton. Wenn einer der zwei Jungs, die noch hier oben waren, schrie, wo war dann der andere?
Sie folgten dem Schrei zu seinem Ursprung. Es war das Schlafzimmer. Die Tür stand weit offen und gab den Blick auf einen großen Schrank frei. Die zwei Jungen standen davor. Der eine drückte den anderen gegen den Schrank. Der, der gegen den Schrank gedrückt wurde, war derjenige, der aus Leibeskräften schrie. Sein Gesicht war schmerzverzehrt, aber wirklich erschreckend waren seine Augen. Sie waren leer, absolut leer, ohne Pupille, weiß.
Oh mein Gott“, flüsterte Maus betroffen. Das Leben wurde aus ihm herausgesaugt. Es war schon aus ihm herausgesaugt worden. Es war zu spät. Zu spät. Sie hatten ihn verloren. Er war... tot. Es schockte sie mehr, als sie gedacht hätte, dass es das könnte.
Phönix neben ihr atmete tief ein und aus, immer wieder, als müsse er sich beruhigen. Seine Hände zitterten nach wie vor, aber es wurde langsam weniger.
Lass ihn los“, sagte er dann, etwas zu leise. „Lass ihn los!“ Dieses Mal war seine Stimme lauter, druchdringender. Der Junge, der den anderen gegen den Schrank drückte, drehte sich um. Dabei fiel der Körper des Ausgesaugten leblos zu Boden.
W-Was hast du vor?“, flüsterte Maus. Sie hatten Waffen bekommen. Sie hielt eine der Pistolen in der Hand. Er hatte auch eine, aber er schien nicht vorzuhaben, sie zu benutzen. Stattdessen streckte er seine Hand dem Jungen entgegen.
Der Junge, der von einem Schatten besessen war. Die, die von der Krankheit befallen wurden, die ausgesaugt wurden, wurden zu Geistern, die immer mehr Geister erschufen. Jene, die besessen wurden, wurden entweder auch Geister oder verwandelten sich ebenfalls in Schatten.
Phönix sah, dass der Junge besessen war. Seine Augen waren sehr dunkel und seine Haut durchzogen von dunklen Linien. Das waren die Anzeichen dafür, das jemand besessen war. Dennoch bewegte er sich und seine Hand Millimeter für Millimeter dem Jungen entgegen und schloss schließlich die Augen.
Er hörte Maus irgendetwas rufen, da berührte er bereits die Stirn des Besessenen. Augenblicklich ging eine Welle der Energie durch ihn. Sie hatten ihm gesagt, wie es sein würde, aber er hatte es bisher noch nie gespürt. Jetzt rauschte es durch seinen Körper, so wie sie gesagt hatten, bloß tausend Mal intensiver. Es war so heftig, dass er aufschrie. Ihm wurde heiß. Es brannte, auch das hatten sie ihm gesagt. Er selbst würde brennen. Er würde brennen für jene, die eigentlich schon verloren waren. Er würde brennen und sie zurückholen.
Als es genug war, das konnte er spüren, löste er die Verbindung zu dem Besessenen, in dem er seine Hand zurückzog. Dumpf ging er zu Boden. Aber er war nicht tot, im Gegenteil. Er hatte ihm gerade das Leben gerettet. Es kribbelte in seinen Fingerspitzen. Ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen. Dann ging er hinüber zu dem Ausgesaugtem. Wenn er sich nicht verschätzt hatte, war es noch nicht zu spät. Noch nicht.
Er legte auch dem anderen Jungen seine Hand auf die Stirn, schloss die Augen und brannte für ihn, um ihn zu heilen. Ihm war schwindelig, als er fertig war und seine Hand zurückzog.
Den Geist. Wir müssen noch den Geist töten“, sagte er zu Maus, die noch immer im Türrahmen stand. Er sah sie nicken, aber sie sah so verschwommen aus. Was war los? War das schon zu viel gewesen? Aber wenn...
Er verlor das Bewusstsein. Er träumte von Feuer und Asche. In seinem Traum hatte er brennende Flügel und seine Hände waren mit schwarzer Asche bedeckt. Das sah er in einem Spiegel, der vor ihm stand. Er sah auch, dass er dabei war, zu verschwinden, ein Geist zu werden. Das war der Preis. Der Preis, den er am Ende zahlen würde. Er würde brennen, würde für sie alle brennen, um am Ende selbst einer von denen zu werden, die es auszulöschen galt. Ironisch. Wirklich ironisch...

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